Die Würde des Menschen ist (nicht) behindert

Am 23. Mai 2019 wird das Grundgesetz siebzig Jahre alt. Wir feiern eine Verfassung, die uns allen gleiche Grundrechte zusichert. Menschen mit Behinderungen können ihre Grundrechte jedoch oft nicht voll wahrnehmen.

Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 in Bonn verkündet und trat am folgenden Tag in Kraft. Seit dem 3. Oktober 1990 gilt es als Verfassung des gesamten deutschen Volkes.

Schutz der Menschenwürde – 1949 eine gesetzliche Neuheit

Der wohl bekannteste Satz des Grundgesetzes findet sich gleich am Anfang in Artikel 1, Absatz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diese gesetzlich verankerte Gewährleistung der Menschenwürde war damals eine Neuheit, die es in keiner Verfassung anderer Staaten gab.

Artikel 3: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“

Artikel 3 hält die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz fest. 1994 erhielt er diese Ergänzung: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) und der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention folgten weitere Regelwerke, die die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen beenden sollen. Soweit die Theorie.

Diskriminierung hat viele Gesichter – Aufmerksamkeit auch

Benachteiligungen stellen die in Artikel 3 gemeinte Gleichheit aller Menschen infrage und damit auch ihre Würde.
Das, was behinderte Menschen tatsächlich für die Gewährleistung ihrer gesetzlich verankerten Grundrechte benötigen, bleibt oft unbeachtet. „Gesetze zur Barrierefreiheit sollten so streng sein wie beim Brandschutz“, forderte Aktivist Raúl Krauthausen 2018 im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Viele Barrieren werden nicht bewusst errichtet. So kommt zum Beispiel in der aktuellen Diskussion über Elektromobilität kaum die Problematik zur Sprache, die für blinde und sehbehinderte Menschen durch diese geräuschlosen Verkehrsmittel entsteht.
Ein offener Blick auf Menschen mit Behinderungen, der sie mit ihren Potenzialen sieht anstatt als Fürsorgebedürftige, eröffnet nicht nur gleiche Rechte für alle, sondern auch gleiche Möglichkeiten.

Die Würde wahren

Der Rückblick auf die siebzigjährige Geschichte des Grundgesetzes ist ein Grund zum Feiern. Und er ist ein Auftrag an uns alle, die Würde des Menschen weiter und noch besser zu wahren.
Diskriminierung behindert die Würde – wenn wir sie selbst erfahren, aber auch wenn wir selbst diskriminieren. 

Hier können Sie das vollständige Grundgesetz lesen.

Hier können Sie Artikel 1 des Grundgesetzes lesen.

Hier können Sie Artikel 3 des Grundgesetzes lesen.

Zahl 70 und Schriftzug Happy Birthday vor Deutschlandflagge und Paragraphenzeichen

70 Jahre Grundgesetz

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