„All inclusive“ bei Corona – gut wär‘s

Corona geht in die nächste Runde und fordert uns derzeit mächtig heraus. Menschen mit Behinderungen im globalen Süden trifft die Pandemie ungleich härter. Inklusion wäre ein Weg.

Die ohnehin schon klaffende Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich in Zeiten der Pandemie noch weiter. Menschen mit Behinderungen in den sogenannten Entwicklungsländern stehen dabei vor besonders großen Herausforderungen. Sie sind oft auf die physische Nähe zu anderen Menschen angewiesen und arbeiten in instabilen Jobs. Dazu kommt, dass Informationen zur Covid19 und der Zugang zu Schutzmaßnahmen oft voller Barrieren sind.

Wenn das „Distancing“ tatsächlich sozial wird

Menschen mit Beeinträchtigungen sind bei Pflege, Mobilität und Kommunikation häufig auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen. „In einer Krise wie der aktuellen kann diese sehr schnell wegbrechen z.B. durch Infektion von Betreuungspersonen, durch Einschränkungen in deren Berufsausübung oder durch zwischenmenschliche Entsolidarisierung (wortwörtliches social distancing statt physisches)“, formuliert die Christoffel-Blindenmission (CBM) in ihrem Politikpapier „Die Agenda 2030 und Menschen mit Behinderungen - Was uns die Corona-Krise für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung lehrt“.

Zunahme von Armut

Rita Acha Agum (Disability and Inclusive Development Officer der CBM in Kamerun) berichtet im Podcast zum GlobalPerspectives2020-Forum, dass die Armut vieler Menschen mit Behinderungen in Kamerun seit Beginn der Pandemie stark zugenommen habe. Die meisten dieser Menschen arbeiten im informellen Sektor. Sie verkaufen Produkte auf lokalen Märkten oder bieten einfache Dienstleistungen an. Durch die Schutzmaßnahmen sei dieser Einkommensbereich stark eingebrochen, sagt Acha Agum. Zudem seien zusätzliche Kosten für die dort Arbeitenden entstanden, wie z.B. für Desinfektionsmittel.

Ähnlich ist die Situation auch in anderen sogenannten Entwicklungsländern. Dazu kommt, dass es in der Pandemie-Zeit dort oft nur wenig oder gar keine staatliche Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger gibt.

Unzureichender Zugang zu Corona-Maßnahmen

In den Ländern des globalen Südens sind die Coronaschutzmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen oft nicht voll zugänglich. Für die Menschen, die häufig ohnehin schon infektionsanfälliger sind, stellt dies eine zusätzliche Gefahr dar. Zudem können Menschen mit Behinderungen so auch sozial abgehängt werden, wie ein weiteres Beispiel von Rita Acha Agum aus Kamerun zeigt: Die Schulprogramme des kamerunischen Fernsehens, erklärt die CBM-Mitarbeiterin, könnten von Kindern mit Sinnesbehinderungen nicht genutzt werden, weil zum Beispiel die Übersetzung in Gebärdensprache fehle.

Hilfsorganisationen wie die CBM engagieren sich daher gemeinsam mit lokalen Organisationen von Menschen mit Behinderungen dafür, den Zugang zu den Maßnahmen für alle zu verbessern und Informationen zu Covid19 zum Beispiel auch für blinde und sehbehinderte Menschen aufzubereiten.

Es geht nur barrierefrei

„Nur ein barrierefreies Umfeld ermöglicht selbstbestimmtes und selbständiges Handeln von Menschen mit Behinderungen“, lautet eine der fünf Thesen, die die CBM für die Stärkung von Gesellschaften in der Corona-Krise in ihrem oben genannten Politikpapier formuliert hat.

Barrierefreie Umfelder ermöglichen es, Menschen mit Behinderungen ohne oder mit weniger fremder Hilfe selbständig zu leben. Sie sind dann – insbesondere auch in Krisenzeiten – unabhängiger von Unterstützung aus dem privaten Umfeld oder von staatlicher Seite. Dass Menschen mit Behinderungen zudem generell gesellschaftliche und politische Prozesse mitgestalten, ist ein absolutes Muss für eine nachhaltige globale Entwicklung, auch nach der Pandemie. Denn wer kennt die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen besser als sie selbst? „Nothing about us without us!“  

 

Politikpapier der CBM :
„Was uns die Corona-Krise für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung lehrt“

Interview mit Rita Acha Agum und Dominique Schlupkothen (beide CBM):
„Inclusion: Nothing about us without us” (englisch)

Mittig ist eine dunkelhäutige Frau mit violett gemustertem Kleid und Kopftuch zu ab Brusthöhe zu sehen. Sie trägt eine grün-gelb-schwarze Mund-Nasen-Bedeckung und schaut in die Kamera. Im Hintergrund sind eine Frau und Mann zu sehen, die auf Stühlen sitzen und ebenfalls Gesichtsmasken tragen.

Die blinde Kamerunerin Njah Martina (vorne) engagiert sich in ihrer Organisation ''Comfort for the Blind'' dafür, blinden und sehbehinderten Menschen Zugang zu Coronaschutzmaßnahmen zu verschaffen. Bild: ©CBM

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