Blinde Leseratten tasten eben
Am 16. Oktober öffnet die weltweit bedeutendste Buchmesse in Frankfurt wieder ihre Pforten und lässt die Herzen der Freunde von Gedrucktem und Digitalem höherschlagen.
Auch vielen Kindern machen Geschichten und Bücher Spaß. Zudem tragen sie erwiesenermaßen wesentlich zu einer guten Bildung bei. Für normal sehende Kinder gibt es dafür eine riesige Auswahl an Bilder-, Vorlese- und Erstlesebüchern.
Anders als sehende Kinder wachsen blinde und sehbehinderte Kinder nicht so selbstverständlich mit Schriftsprache und Büchern auf. Dies betrifft besonders die kleinsten Kinder bis sechs Jahren. Für sie gibt es einfach nur sehr wenige geeignete Bücher. Dadurch können sie sich kaum mit Schrift und ihrer Bedeutung vertraut machen und lernen so deutlich später Lesen als sehende Kinder.
Kinder lieben Geschichten
Blindheit und Sehbehinderung hält die Lust auf Geschichten bei Kindern nicht auf. Während sehende Kinder Geschichten oft über das Anschauen von Bildern zum Beispiel in Bilder- und Vorlesebüchern aufnehmen und so die abstrakte Erzählung erfassen, brauchen blinde Kinder an dieser Stelle Bilder zum Anfassen.
Eltern und Pädagogen basteln diese oft selbst, denn die wenigen im Handel erhältlichen taktilen Bilderbücher sind nicht selten weit entfernt von der ansprechenden Aufmachung anderer Bilderbücher. Oder die kleinen Auflagen sind vergriffen.
Sehr liebevoll gestaltet ist jedoch das Sortiment des Vereins „anderes sehen e.v.“. Die Bücher werden einzeln in Handarbeit durch einen Verlag in Frankreich hergestellt. Daraus resultiert ein relativ hoher Preis, der aber für blinde Kinder und deren Eltern zur Hälfte reduziert wird. Zusätzlich gibt es sie in verschiedenen Bibliotheken, die auf der Webseite des Vereins verzeichnet sind.
Mit tastbarem Wind zur Chancengleichheit
Die einfachen kleinen Geschichten finden sich in den Büchern sowohl in gedruckter Großschrift wie auch in Brailleschrift. Die kleinen Leseratten können so ihre ersten Leseübungen mit ihren Lieblingsbüchern selbst oder mit sehenden Freunden und Familie durchführen. Hübsche farbenfrohe Tastbilder vervollständigen die Geschichten - wie die Bilder anderer Bilderbücher auch. Die Kleinen erschließen sich so: Welche Form haben die Wolken in der Geschichte? Wie fühlt sich das weiche Gras an? Sogar eine Windbrise kann taktil fühlbar dargestellt werden. Auch für sehende Kinder stecken damit viele „Abenteuer“ in den Büchern.
Ein weiteres Angebot mit Büchern für blinde und sehbehinderte Kinder hält die Deutsche Zentralbücherei für Blinde (DZB) bereit – zur Fernleihe wie auch zum Verkauf. Auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) entwickelt solche Bücher.
Der Bedarf an weiteren Büchern für blinde und sehbehinderte Kinder ist groß. Auch wenn davon gemessen an der Gesamtzahl von Kinderbüchern nur relativ wenige gebraucht werden.
In Deutschland kommen jährlich nach Angaben von „anderes sehen e.v.“ etwa 160 Kinder blind zur Welt. Weitere Kinder entwickeln in ihren ersten Lebensjahren eine Sehbehinderung. Um aber „niemanden zurückzulassen“, wie sich es sich die „Agenda 2030 zur nachhaltigen Entwicklung“ der Vereinten Nationen vorgenommen hat, braucht es gleiche Bildungschancen für alle. Und dies muss bis in die Bücherkisten unserer Kleinsten hineinreichen.
Adressen für geeignete Bücher für blinde und sehbehinderte Kinder:
- Verein "anderes sehen e. v.": https://www.anderes-sehen.de/buecher/
- Deutsche Zentralbücherei für Blinde (BZB): https://www.dzblesen.de
- Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV): www.kinderbuch.dbsv.org